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20.01.2023rss_feed

Vortragstagung 2023: Ringelschwanz, Tierwohl und Ethik

Die GFS-Genossenschaft zur Förderung der Schweinehaltung eG und die Landwirtschaftskammer NRW organisieren jedes Jahr eine Vortragsreihe zu aktuellen Themen der Schweinehaltung. In diesem Jahr fand die Vortragsreihe am 10.1. in Espelkamp und am 11.1. in Ascheberg in Präsenz statt. Am 12.1. wurde die Veranstaltung mittels Videokonferenz durchgeführt. Die Teilnehmerzahl lag insgesamt bei ca. 350 Personen.

Aktuelles bei der GFS
Nach der Begrüßung durch den Präsidenten der Landwirtschaftskammer, Karl Werring, berichtete die GFS-Geschäftsführerin Dr. Meike Friedrichs über die aktuellen Entwicklungen der GFS. Für das Jahr 2022 ist beim Tubenabsatz von 3,75 Mio. ein Minus von 7 % und bei den Auslieferungen ein Minus von 13 % zu verzeichnen. Der Scannerservice reduzierte sich um 11 %. Der aktuelle Eberbestand liegt bei 1935 Tieren ( -7 % ), wobei bei den wachstumsbetonten Herkünften eine Zunahme zu verzeichnen ist. Der Zubehörumsatz der Tochterfirma Top-Animal-Service GmbH ist um 27 % auf 12 Mio. € zurückgegangen. 230.000 € wurden im Rahmen einer Solidaritätsaktion den Sauenhaltern als Warengutschein gewährt. Des Weiteren berichtete Dr. Meike Friedrichs über eine Vielzahl von Maßnahmen zur Kosteneinsparung (neue Auslieferstrukturen, weniger Standorte und Personal,…). Dennoch reichen all diesen Maßnahmen nicht, um die stark gestiegenen Kosten abzudecken. Zum 1.2. ist eine Preisanpassung für Sperma, Auslieferung und Scannen erforderlich. Diese wird den Kunden schriftlich im Detail mitgeteilt.
Wissenstransfer für mehr Tierwohl
Dr. Sabine Schütze, Leiterin des Tierwohl-Kompetenzzentrums Schwein im Netzwerk Tierwohl und Tierärztin vom Schweinegesundheitsdienst bei der LWK NRW gibt zu Beginn ihres Referates einen Überblick über die Mängelliste der Cross-Compliance Kontrollen in den Schweinebetrieben. Um den Wissenstransfer für Tierwohl in die Praxis zu verbessern, wurde aus dem Erfahrungsaustausch zwischen Praktikern, Wissenschaftlern, Beratern, u.a. ein Leitfaden erstellt, der wichtige Entscheidungshilfen im Umgang mit kranken Tieren gibt. Darin findet man Infos zum Platzbedarf für kranke Tiere, für die Ausgestaltung der Krankenbucht, eine Übersicht über die Betäubungs- und Tötungsverfahren, rechtliche Vorgaben und eine Vielzahl von Fotos zur Beurteilung von kranken Tieren. Die knapp 70seitige Informationsbroschüre stand den Besuchern der Präsenzveranstaltungen zur Verfügung; ebenfalls eine Liste zur Dokumentation in der Krankenbucht. Der komplette Leitfaden und auch die Dokumentationsübersicht ist online unter Netzwerk Fokus Tierwohl erhältlich (www.fokus-tierwohl.de). Um ausländische Stallmitarbeiter besser informieren zu können, soll der Leitfaden zukünftig in Englisch, Polnisch und Rumänisch zur Verfügung gestellt werden.
Intelligente Videotechnik
Dr. Friederike Warns, LWK NRW, berichtet über ihre Erfahrung im Projekt KISS (Künstliche Intelligenz gegen Schwanzbeißen bei Schweinen). Zuerst gibt sie einen Überblick über die Einsatzgebiete der Videotechnik: Fress- und Trinkverhalten, BCS (Body-Conditioning-Score), Liegeverhalten, Aggressions-Verhalten u.a. Um das Schwanzbeißen mittels Videotechnik zu erkennen, müssen folgende Indikatoren ermittelt werden: eine erhöhte Aktivität der Tiere, das Hängenlassen der Schwänze und Kontakte Schnauze mit Ringelschwanz.
Für die frühzeitige Erkennung ist das Hängenlassen des Schwanzes von besonderer Bedeutung. Für die automatisierte Erkennung erfolgt eine Winkelmessung des Schwanzes bei stehenden Tieren. Ziel des Projektes ist die Früherkennung von Schwanzbeißen über eine Push-Nachricht aufs Handy und ein Blick über die Kamera in den Stall.
Mit Ringelschwanz Geld verdienen
Patrick Plate, hauptberuflich Berater bei der Unternehmensberatung Rind und Schwein (URS) in Sulingen arbeitet auf dem elterlichen Betrieb in Kirchdorf-Scharringhausen mit 100 Sauen und Mast. Er berichtet über seine Erfahrungen mit dem Ringelschwanz (seit 2019 im eigenen Betrieb) und aus seiner Beratertätigkeit. Vor 2,5 Jahren hat er seine Sauenherde auf Eigenremontierung mit Schweizer Genetik umgestellt, die im Herkunftsland nur mit Langschwanz gehalten wird. Die Gründe für die Umstellung auf Langschwanz, erklärt Patrick Plate mit der Arbeitserleichterung, der Förderung durch das Land Niedersachsen (5 € je Ferkel, 16,50 € je Mastschwein). Hierfür müssen Mindestwerte für intakte Schwänze bei der Kontrolle durch die LWK erreicht werden: 80 % bei den Ferkeln, 70 % beim Mastschwein. Bislang konnten Plates die Ziele erreichen.
Ein wichtiges Augenmerk legt Plate auf die Fütterung. Für die Qualitätsabsicherung wird ggfs. Toxinbinder eingesetzt. Des Weiteren spielt Gesteinsmehl und Rohfaser mittels Heupellets und Raufutter für die Sauen (Grassilage) eine Rolle. Der Einsatz von Eberlinien, die sich besonders ruhige Tiere vererben sollen, hat bislang keine Wirkung gezeigt. Ganz wichtig ist ruhiges Arbeiten. Lärm vermeiden! Der Einfluss der betreuenden Person ist wichtiger als die Genetik. Jungsauen sollten an den Menschen gewöhnt werden. Sie werden zum Beispiel mit Apfelsaft gefüttert. Das Tier-Fressplatzverhältnis sollte 1: 1 sein. Die Ferkel sollten bzgl. Größe stärker sortiert werden. Kleine Ferkel sind unruhiger. In der Mast wird Stroh als Beschäftigungsmaterial eingesetzt, teils Häckselstroh. Die Tierbeobachtung muss mind. 1 x täglich; in der Ferkelaufzucht 2 x täglich erfolgen. Die Lüftung muss regelmäßig angepasst werden. Grundsätzlich gilt, lieber kälter als warm; Ausnahme bei Einstallung.
Folgende Maßnahmen sind wichtig, wenn Schwanzbeißen auftritt:
- Bei unruhigen Tieren Lüftung und Fütterung prüfen und ggfs. anpassen.
- Bei Blut in der Bucht muss das Tätertier identifiziert und sofort abgetrennt werden.
- Die Opfertiere müssen behandelt werden.
- Gegebenenfalls muss die komplette Gruppe umgetrieben werden, um eine neue Umwelt zu schaffen.
Fleisch und Ethik
Der bundesweit einzige Professor für Ethik in der Tiermedizin, Dr. Peter Kunzmann von der TiHo Hannover, zieht zu Beginn gleich eine Parallele zum Fußball: in Deutschland gibt es 80 Mio. Experten für Nutztierethik. Vor 20 Jahren war es noch ein Spartenthema, vor 10 Jahren gab es explosionsartig viele Diskussionen zum Tierwohl und seit 2018 wird diese Diskussion durch den Klimawandel zusätzlich befeuert. Immer mehr Bürger fühlen sich zuständig und kompetent fürs Tierwohl. Das Wohl und Wehe der Nutztiere entscheidet der Landwirt. Tierwohl und Ökonomie sind oft im Gleichklang. Doch nicht immer sind die Bürger gleicher Meinung, was das Tierwohl anbelangt.
Die Tierethik beschäftigt sich mit den Pflichten von Menschen gegenüber Tieren und den Rechten von Tieren. Hier gibt es 3 Perspektiven: Tieren soll es nicht schlecht gehen; sie sollen gut versorgt werden und nicht leiden. Dies geht vielen Menschen nicht weit genug. Sie wollen, dass es den Tieren besser geht; darüber hinaus gibt es Menschen, die wollen, dass es den Tieren super geht und noch mehr Abwechslung haben.
Für den Landwirt ist die Akzeptanz der Bürger (nicht nur der Verbraucher) wichtig. Dies gilt für die Zufriedenheit und das Sozialprestige. Wann geht es den Tieren gut? Eine nicht leicht zu lösende Aufgabe. Insgesamt gilt: Gute Nutztierhaltung soll sichere, bezahlbare Lebensmittel erzeugen mit möglichst geringer Belastung von Tier und Umwelt.
2023 01 Vortragstagung

Referenten v. l.: Dr. Thorsten Klauke, Dr. Meike Friedrichs, Patrick Plate, Dr. Sabine Schütz, Dr. Friederike Warns und Karl Werring


2023 01 Vortragstagung.
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